Steuerpflicht für Influencer: Selbstständig, gewerblich – und was ist mit „Spenden“ im Stream?
- Niklas Farnbacher
- 8. Aug.
- 7 Min. Lesezeit
Influencer leben davon, Inhalte in sozialen Medien zu erstellen – doch finanzieller Erfolg bringt auch Pflichten mit sich. Steuerlich gelten Influencer meist als selbständige Unternehmer, und ihre Einkünfte unterliegen denselben Regeln wie bei anderen Gewerbetreibenden. In den sozialen Medien machte in letzter Zeit vor allem das Vorgehen des Landesamts für Bekämpfung der Finanzkriminalität NRW auf sich aufmerksam, in dem es verlauten ließ von einem Steuerschaden in Höhe von knapp 300 Millionen Euro auszugehen, der durch Influencer entstanden sein soll. Folgend beleuchten wir woraus sich die Steuerpflicht für Influencer überhaupt ergibt und welche Folgen das für die etwaigen Einnahmequellen hat:
Influencer als Unternehmer: Freiberuflich oder gewerblich?
Influencer, die regelmäßig Einnahmen erzielen, betreiben aus Sicht des Finanzamts ein Gewerbe. Meist werden Influencer nicht als Freiberufler i.S.d. § 18 EStG eingestuft, da ihre Tätigkeit in der Regel keine der klassischen freiberuflichen Katalogberufe (wie etwa Künstlerin im engeren Sinne oder Journalistin) erfüllt. Die Praxis zeigt: Sobald aus dem Hobby ein regelmäßiges Einkommen wird – etwa durch Werbedeals, Sponsoring, Affiliate-Links oder Produktplatzierungen – gilt man steuerlich als gewerblich aktiv. In diesem Fall ist eine Gewerbeanmeldung erforderlich, ähnlich wie bei jedem anderen Gewerbetreibenden, damit das Finanzamt und Gewerbeamt Bescheid wissen.
Als selbständig Tätige gelten Influencer auch als „Unternehmer“ im umsatzsteuerlichen Sinne, wenn sie nachhaltig Einnahmen erzielen, § 2 UStG. Selbst wenn anfangs keine Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund stand, kann die Tätigkeit schnell professionelle Züge annehmen. Die rechtliche Definition des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG ist eindeutig: „Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.“ Folglich müssen Influencer an ihre steuerlichen Pflichten denken: Einkommensteuer auf ihre Gewinne, gegebenenfalls Gewerbesteuer und in vielen Fällen Umsatzsteuer.
Steuerarten: Von Einkommensteuer bis Gewerbesteuer
Die so erzielten Einkünfte sind meist Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), da die Influencer-Tätigkeit als gewerblich einzustufen ist. In der Einkommensteuererklärung müssen sämtliche Einnahmen (vgl. auch § 8 EStG) angegeben werden – inklusive Sachleistungen, die oft anstelle von Geld gezahlt werden und insbesondere auf Instagram einen Hauptteil der erhaltenen Gegenleistung ausmachen dürfen. Das Finanzamt bewertet diese Vorteile und erhebt darauf die Einkommensteuer, als wären es Geldzahlungen.
Neben der Einkommensteuer kann ab einer Gewinnhöhe, die den Freibetrag in Höhe von 24.500 € aus § 11 GewStG übersteigt, auch Gewerbesteuer anfallen. Unterhalb dieser Schwelle bleibt man von der Gewerbesteuer verschont. Überschreitet der Influencer jedoch diese Grenze, muss er eine Gewerbesteuererklärung abgeben und Gewerbesteuer zahlen. Besonders interessant kann dabei der Wohnort des Influencers werden, da der relevante Hebesatz von der jeweiligen Ansässigkeitsgemeinde festgelegt wird. So liegt der Hebesatz in Düsseldorf für 2025 bei 440% und in Köln gar bei 475%.
Ebenfalls im Blick behalten werden muss die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer). Ein Influencer, der selbständig und nachhaltig Einnahmen erzielt, gilt als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, § 2 I UStG. Das bedeutet: Er muss grundsätzlich Umsatzsteuer auf seine Einnahmen erheben und abführen, sofern er nicht die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nimmt. Dies gelingt nach § 19 UStG dann, „wenn der Gewinnumsatz nach Absatz 2 im vorangegangenen Kalenderjahr 25 000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100 000 Euro nicht überschreitet“, § 19 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. UStG. Viele erfolgreiche Creator überschreiten diese Grenzen schnell. Einnahmen aus Werbung, Sponsoring, bezahlten Posts oder Stream-Abonnements unterliegen dann dem regulären Umsatzsteuersatz, der ans Finanzamt abzuführen ist. Influencer sollten sich also frühzeitig mit der Umsatzsteuerregistrierung befassen, um nicht unbewusst in Rückstand zu geraten. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass (Be-) Zahlungen aus dem Ausland (z.B. durch YouTube, oder dem TikTok Creator Fund) erfolgen.
„Spenden“ und Trinkgelder in Livestreams – steuerfrei oder zu versteuern?
Ein besonderes Thema sind die sogenannten „Spenden“ in Livestreams – zum Beispiel auf Twitch, YouTube oder anderen Plattformen. Fans können dort ihrem Lieblings-Streamer Geldbeträge zukommen lassen, oft als Zeichen der Wertschätzung. Umgangssprachlich spricht man von Donations oder „Trinkgeldern“.
Doch Vorsicht: Aus steuerlicher Sicht handelt es sich hier nicht um echte Spenden im Sinne des Steuerrechts und auch nicht um steuerfreie Trinkgelder, sondern um ganz normale Einkünfte des Influencers.
In klassischen Branchen sind Trinkgelder unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei – aber nur für Arbeitnehmer. § 3 Nr. 51 EStG bestimmt, dass freiwillig vom Kunden gezahlte Trinkgelder an einen Arbeitnehmer steuerfrei sind, sofern sie zusätzlich ohne Rechtsanspruch zur Arbeitsleistung gegeben werden. Ein Kellner im Restaurant, der von Gästen ein freiwilliges Trinkgeld erhält, muss dieses im Allgemeinen nicht versteuern, da es ein zusätzliches Entgelt für seine Dienstleistung als Arbeitnehmer ist. Nicht steuerfrei sind jedoch Zahlungen an den Geschäftsinhaber selbst – hier greift die Steuerbefreiung nicht, weil sie ausdrücklich nur für Arbeitnehmer gilt. Übertragen auf den Influencer bedeutet das: Der Influencer ist in der Regel sein eigener „Geschäftsinhaber“ (also selbständig) und nicht Arbeitnehmer. Wenn Zuschauer ihm Geld senden, fällt das nicht unter die Trinkgeldbefreiung. Es ist vielmehr betriebliche Einnahme, die der Influencer versteuern muss.
Des Weiteren sind solche Zahlungen keine Spenden im gemeinnützigen Sinn. Echte Spenden an anerkannte gemeinnützige Organisationen können beim Geber steuerlich absetzbar sein und sind beim Empfänger (der gemeinnützigen Organisation) steuerfrei. Die Zahlungen an Influencer erfüllen diese Voraussetzungen nicht – der Influencer ist keine gemeinnützige Organisation, und die Zuschauer-Zuwendungen erfolgen im Zusammenhang mit einer Gegenleistung, nämlich der vom Influencer erbrachten Unterhaltung oder Interaktion. Die Fans zahlen letztlich für Content und Unterhaltung, auch wenn die Zahlung freiwillig und in beliebiger Höhe erfolgt. Steuerrechtlich liegt damit ein Leistungsaustausch vor: Der Influencer bietet Inhalte und Live-Entertainment, und die Zuschauer honorieren dies finanziell. Genau dieser Zusammenhang reicht, um die Einnahmen als steuerpflichtig zu qualifizieren. Aus Sicht der Ertragsteuern (Einkommensteuer) sind solche „Donations“ ganz normale Betriebseinnahmen eines professionellen Influencers.
Auch umsatzsteuerlich sind solche Zahlungen relevant. Finanzverwaltung und Gerichte betrachten die Zuschauer-Beiträge als Entgelt für eine Leistung, nämlich die Unterhaltungsleistung des Streamers. Ein vielbeachtetes Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf aus 2022 (1 K 2812/19 U) bestätigte, dass freiwillige Zahlungen der Zuschauer an einen Gamer kein reines Trinkgeld sind, sondern das Entgelt für die vom Streamer erbrachte Dienstleistung darstellen. Der Streamer bietet eine Unterhaltungsshow – ähnlich wie ein Künstler auf der Bühne, nur virtuell – und die Zuschauer zahlen dafür. Dass die Zahlung freiwillig und in variabler Höhe erfolgt, spielt keine Rolle für die Umsatzsteuerpflicht. Es wurde sogar betont, dass die Situation nicht mit einem zufälligen Straßenspiel vergleichbar ist, wo ein Passant vielleicht spontan Münzen gibt. Im Stream sucht der Zuschauer gezielt den Kanal auf, um unterhalten zu werden, und zahlt im vollen Bewusstsein für diese Unterhaltung. Folglich unterliegen diese „Spenden“ dem üblichen Umsatzsteuersatz von 19 % – zumindest dann, wenn der Influencer umsatzsteuerpflichtig ist (z.B. nicht unter die Kleinunternehmerregel fällt).
Diese Art der „Spenden“ finanzieren damit die Arbeit des Influencers und stehen in direktem Zusammenhang mit den Inhalten. Damit sind stellen sie steuerpflichtige Einnahmen dar. Wer als Influencer also z.B. auf Twitch „Spenden“ erhält, muss diese genau wie Werbeeinnahmen verbuchen und am Jahresende in der Steuererklärung angeben.
Taskforce gegen Steuersünder: Wie der Staat jetzt durchgreift
In letzter Zeit hat der Staat die Besteuerung von Influencern verschärft ins Visier genommen. Bundesweit wurden spezielle Einheiten (Task Forces) der Steuerfahndung eingerichtet, um gezielt nach Influencern zu suchen, die ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkommen. Von Hamburg bis Sachsen arbeiten diese Taskforces intensiv daran, aktive Content Creator aufzuspüren und deren Einnahmen zu überprüfen. Besonders offensiv geht derzeit Nordrhein-Westfalen (NRW) vor: Das dortige Landesamt zur Bekämpfung von Finanzkriminalität schätzt, dass einige große Influencer Steuern in Höhe von etwa 300 Millionen Euro hinterzogen haben. Aktuell werden allein in NRW rund 6.000 Datensätze ausgewertet, und die Behörde spricht von einem „hohen Maß an krimineller Energie“ und sogar von „organisierter Steuerhinterziehung“ in der Szene.
Diese Entwicklungen haben für Unruhe in der Branche gesorgt. Einige bekannte Influencer sollen Berichten zufolge bereits nervös reagiert haben – so sehr, dass angeblich Urlaube abgebrochen oder Steuerberater eingeschaltet wurden, um schnell reinen Tisch zu machen. Tatsächlich raten Experten nun, zügig eine Selbstanzeige in Betracht zu ziehen, falls in der Vergangenheit nicht alle Einnahmen deklariert wurden. Wer sich freiwillig und rechtzeitig offenbart, kann straffrei davonkommen, während diejenigen, die abwarten, hohe Steuernachzahlungen, Bußgelder oder sogar Strafverfahren riskieren.
Die Taskforce-Methoden sind dabei moderner denn je und könnten dabei nicht banaler sein. Immerhin leben Influencer davon ihren Erfolg öffentlich zur Schau zu stellen: In NRW und Hamburg setzen die Finanzbehörden Datenanalysten, KI-gestützte Prüfalgorithmen und eine Überwachung von Plattformdaten ein. Es werden systematisch die öffentlich verfügbaren Informationen (Follower-Zahlen, offensichtliche Kooperationen) mit den Angaben in den Steuererklärungen abgeglichen. Über Programmierschnittstellen (APIs) und in Zusammenarbeit mit den Plattformbetreibern können Zahlungsströme und Einkünfte ermittelt werden. So lässt sich etwa feststellen, ob ein Influencer Einnahmen aus YouTube-Werbeprogrammen, Twitch-Subs oder TikTok Creator Funds erhalten hat – und ob diese in der Steuererklärung auftauchen. Anlasslose Prüfungen werden bei Personen mit besonders hoher Reichweite oder bei bekannten Werbekooperationen durchgeführt. Dies zeigt auch, dass sich hauptberufliche Influencer nunmehr vermehrt dem Vorwurf der Steuerhinterziehung ausgesetzt sehen könnten.
Dass diese Initiative nötig war, betont zum Beispiel der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH). Dieser hatte bereits 2024 in einer Untersuchung erhebliche Vollzugsdefizite festgestellt – viele Finanzämter hatten Schwierigkeiten, alle relevanten Daten über Influencer-Einnahmen zu erhalten. Der ORH forderte daher, alle Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, etwa Auskunftsersuchen an Social-Media-Plattformen zu nutzen. Genau in diese Richtung geht nun die Taskforce: durch Kooperation mit Plattformen und moderne Analysen soll Transparenz in die „Geldmaschine Internet“ gebracht werden, sodass auch digitale Einkünfte lückenlos besteuert werden können.
Fazit: Steuerliche Regeln gelten auch für die Social-Media-Welt
Die Welt der Influencer mag in mancher Hinsicht immer noch neu und besonders sein, doch steuerlich gelten keine Sonderrechte. Influencer sind in aller Regel selbständige Unternehmer mit allen dazugehörigen Rechten und Pflichten. Dazu gehört in steuerlicher Hinsicht insbesondere die korrekte Anmeldung beim Finanzamt und Gewerbeamt, das korrekte Versteuern aller Einnahmequellen. Gerade die oft so genannten „Spenden“ der Community sind kein rechtsfreier Raum: Sie sind tatsächlich und in Abgrenzung zu Trinkgeldern im Restaurant oder dem kleinen Obolus für einen Straßenmusiker echtes Entgelt für erbrachte Leistungen und damit steuerpflichtig, vergleichbar damit, wie in einem Unternehmen sämtliche Einnahmen erfasst werden müssen. Der Vergleich mit Trinkgeldern im Gastgewerbe zeigt, dass nur echte Trinkgelder an Arbeitnehmer steuerfrei sein können – nicht aber zusätzliche Einnahmen des Geschäftsinhabers. Ein Influencer ist der eigene Chef und muss dementsprechend alle Zuwendungen als Betriebseinnahmen behandeln.
Mit der neuen Taskforce-Offensive der Finanzverwaltung wird deutlich, dass Steuerehrlichkeit auch im Internet eingefordert wird. Die Behörden professionalisieren ihre Ansätze, um digitale Einkünfte aufzuspüren, und schrecken auch vor großen Namen nicht zurück. Influencer tun gut daran, ihre steuerlichen Angelegenheiten proaktiv zu regeln, sich gegebenenfalls beraten zu lassen und keine Einkünfte zu verschweigen. Die Klassifizierung als gewerbetreibende Unternehmer kann nämlich auch die Chance sein das Unternehmen durch Inanspruchnahme kompetenter Beratung wirtschaftlich zu optimieren. Quelle: Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus -Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen Influencer sollen massiv Steuern hinterzogen haben - tagesschau
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