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AutorenbildRoland Schmidt

Die rückwirkende Güterstandsschaukel: Steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Vermögensübertragung

Ehegatten, die ihr Vermögen steueroptimiert an die nächste Generation übergeben möchten, haben oft den Wunsch, die Schenkungsteuerfreibeträge optimal auszunutzen. Ein häufiges Problem tritt auf, wenn nur einer der beiden Ehegatten das Vermögen besitzt: In diesem Fall können lediglich die Freibeträge des vermögenden Elternteils für steuerfreie Übertragungen genutzt werden. Die Freibeträge, die bei Schenkungen des anderen Elternteils entstehen könnten, bleiben ungenutzt. Daher stellt sich nicht selten die Frage, ob es möglich ist, das Vermögen der Ehegatten vorab steuerfrei aufzuteilen, um anschließend die Freibeträge beider Ehepartner auszuschöpfen. Dies gelingt durch die sogenannte „Güterstandsschaukel“.


Was ist die Güterstandsschaukel?


Die Güterstandsschaukel ist eine steuerliche Gestaltungsmöglichkeit, die sich auf die Ausnutzung der Schenkungsteuerfreiheit im Rahmen eines Zugewinnausgleichs stützt. Nach § 5 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) können Zahlungen, die im Rahmen eines Zugewinnausgleichs geleistet werden, steuerfrei erfolgen. Diese Regelung ermöglicht es Ehegatten, Vermögen ohne Schenkungsteuer zu übertragen, indem sie gezielt den Zugewinnausgleich nutzen.


Der Zugewinnausgleich und dessen rechtliche Grundlagen


Der Zugewinnausgleich erfolgt immer dann, wenn der gesetzliche Güterstand beendet wird. Dies kann durch Scheidung oder Tod eines Ehegatten geschehen, aber auch, wenn die Ehegatten durch einen Ehevertrag in den Güterstand der Gütertrennung wechseln (§§ 1408; 1372 BGB). Zivilrechtlich umfasst der Zugewinn den Mehrerwerb, der seit der Begründung des gesetzlichen Güterstandes entstanden ist.


Nach § 1373 BGB wird der Zugewinn als die Differenz zwischen dem Endvermögen und dem Anfangsvermögen eines Ehegatten berechnet. Das Anfangsvermögen ist dabei das Vermögen, das ein Ehegatte bei der Eheschließung hatte, während das Endvermögen das Vermögen bezeichnet, das er am Ende des Güterstandes oder bei Scheidung hat. Es ist wichtig zu beachten, dass nur der während der Ehezeit erworbene Mehrwert zum Zugewinn gehört. Vermögenswerte, die vor der Ehe existierten oder nach Beendigung des Güterstandes durch Erbschaften oder Schenkungen erworben wurden, zählen nicht dazu.

Typischerweise wechseln Ehegatten nur kurz in den Güterstand der Gütertrennung, um nach Durchführung des Zugewinnausgleichs wieder zurück in den gesetzlichen Güterstand zu „schaukeln“. Daher auch der Begriff „Güterstandsschaukel“: Der Güterstand wird erst zur Gütertrennung „hingeschaukelt“, um danach in den gesetzlichen Güterstand „zurück zu schaukeln“.

Die Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichs


Die Steuerfreiheit der Zugewinnausgleichsforderung ist in § 5 Abs. 2 ErbStG geregelt. Dieser Paragraph besagt, dass die Befriedigung einer Zugewinnausgleichsforderung steuerfrei ist. Hintergrund dieser Regelung ist, dass eine steuerpflichtige Schenkung eine „freigiebige Zuwendung von Vermögen“ darstellt. Eine Schenkung im steuerlichen Sinne setzt voraus, dass der Schenker sich freigiebig verhält und Vermögen ohne Gegenleistung überträgt.

Im Gegensatz dazu entsteht eine Zugewinnausgleichsforderung nicht aufgrund einer freigiebigen Zuwendung. Sie entsteht vielmehr kraft Gesetzes infolge der Auflösung des Güterstandes. Diese Forderung ist daher nicht das Ergebnis einer freigiebigen Handlung, sondern der gesetzliche Ausgleich von Vermögenszuwächsen, die während der Ehe angefallen sind. Daher wird sie gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG von der Schenkungsteuer befreit.

Zu beachten ist allerdings, dass die Zugewinnausgleichsforderung stets in Geld entsteht. Werden Vermögenswerte (bspw. Immobilien) übertragen, so erfolgt eine Leistung an Erfüllung statt; der Vorgang entspricht wirtschaftlich einer Veräußerung des Vermögenswertes gegen Geldleistung, die ihrerseits durch Verrechnung mit der Zugewinnausgleichsforderung erfüllt wird.


Der BFH hat daher bereits mehrfach geurteilt, dass die Übertragung des Vermögenswertes zwar nicht der Schenkungsteuer unterliegt, sehr wohl aber eine steuerpflichtige Veräußerung darstellen kann (BFH Urt. v. 31.07.2002 – X R 48/99; Urt. v. 16.12.2004 - III R 38/00; Urt. v. 13.12.2018 – III R 13/15).


Derartige Folgen können sowohl Vor- als auch Nachteile bergen. Eine „klassische“ vorteilhafte Konstellation ist die Übertragung von Immobilien, die bereits mehr als 10 Jahre im Privatvermögen liegen und daher auf Seiten des übergenenden Ehegatten (Veräußerers) nicht gem. §§ 22 Nr. 2; 23 EstG besteuert werden können. Durch den steuerfreien Veräußerungsvorgang entsteht beim empfangenden Ehegatten („Erwerber“) neues Abschreibungsvolumen, sodass die Güterstandsschaukel nicht nur steuerfrei in der Erbschafts- und Schenkungssteuer ist, sondern darüber hinaus auch neues Abschreibungsvolumen beim erwerbenden Ehegatten schafft.


Sind keine Vorteile durch Schaffung eines Veräußerungsvorgangs zu erwarten, kann der Zugewinnausgleichsanspruch auch durch Ehevertrag dahingehend modifiziert werden, dass die Forderung nicht (nur) als Geldforderung entstehen soll, sondern der Anspruch direkt auf die Übertragung von bestimmten Vermögenswerten gerichtet sein soll. Die Erfüllung eines solchen Anspruches stellt keinen Veräußerungsvorgang dar, weil auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht erst ein Geldanspruch in den Anspruch auf Übertragung des Vermögenswertes umgewandelt werden muss. Solche Gestaltungen unterliegen allerdings einem hohen Aufgriffsrisiko und sollten unbedingt durch einen Experten begleitet werden.

Einen ganz herausragenden Artikel zu dieser Problematik haben Dr. Ansgar Beckervordersandfort, LL.M. und Carina Klönne geschrieben: „Chancen und Risiken des gegenständlichen Zugewinnausgleichs im Rahmen der Güterstandsschaukel“ (ErbR 2024, 86)

Rückwirkende Vereinbarungen bei Gütertrennung


Eine interessante Frage ist, ob Ehegatten, die bereits seit längerer Zeit in Gütertrennung leben, durch einen Ehevertrag rückwirkend den gesetzlichen Güterstand vereinbaren können, um danach einen höheren steuerfreien Zugewinnausgleich zu erhalten. Dies würde bedeuten, dass sie den Zeitpunkt der Gütertrennung zurück auf den Tag legen könnten, an dem diese ursprünglich vereinbart wurde.

Meistens „schaukeln“ die Ehegatten in dieser Konstellation drei Mal: Einmal „hin“ in den gesetzlichen Güterstand, dann wieder „zurück“ in die Gütertrennung, und dann wieder „hin“ in den gesetzlichen Güterstand.

Obwohl die steuerlichen Auswirkungen einer rückwirkenden Vereinbarung zeitweise umstritten waren, wird diese Gestaltung mittlerweile als zivilrechtlich zulässig und – bei lebzeitiger Beendigung des Güterstandes – auch steuerlich anerkannt (BFH, Urt. v 28.06.1989 - II R 82/86 = MittBayNot 1989, 282; FG Düsseldorf, Urt. v. 14.06.2006 - 4 K 7107/02 Erb = RNotZ 2007, 55).


Auch die Finanzverwaltung schreibt dazu:

Allein die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft begründet keine erhöhte güterrechtliche Ausgleichsforderung.

Wichtig ist die Beendigung des Güterstandes zu Lebzeiten beider Ehegatten. Der Gesetzgeber hat für den Fall der Beendigung des Güterstandes durch Tod des Ehegatten („auf dass der Tod uns scheide“) in § 5 Abs. 1 ErbStG den Fall einer rückwirkenden Güterstandsvereinbarung bereits ausdrücklich geregelt. Auch soweit die rückwirkende Vereinbarung zivilrechtlich zulässig war, werden die Ehegatten steuerlich so behandelt, als wäre der Wechsel des Güterstandes erst mit Unterzeichnung der dazugehörigen Eheverträge vollzogen; die abweichende Vereinbarung im Vertrag bleibt unberücksichtigt.

Bei Vereinbarung einer Rückwirkung ist indes genau darauf zu achten, dass Modifizierungen des Zugewinnausgleichs im Rückwirkungszeitraum vermiedern werden sollten. Die Finanzverwaltung lehnt – trotz teilweise gegenläufiger Rechtsprechung – bis heute derartige Modifizierungen ab, insb. wenn sie zu einer sog. „überhöhten Ausgleichsforderung“ führen (R E 5.2 II 3, 5 ff. ErbStR). Diese kann etwa vorliegen, wenn der Zeitpunkt für die Berechnung des Anfangsvermögen noch vor der Ehe liegt, also auch bei einem Leben im gesetzlichen Güterstand seit Beginn der Ehe keine Ausgleichsforderung in der (jetzt rückwirkend) vereinbarten Höhe entstanden wäre.


Auch sonst sind viele Detailfragen zur rückwirkenden Vereinbarung noch ungeklärt. Die Literatur und Beratungspraxis diskutiert etwa, ob eine (und wenn ja, welche) „Schamfrist“ für die Rückschaukel zum Güterstand der Zugewinngemeinschaft einzuhalten ist oder ob beide Güterstandswechsel in einer Urkunde erfolgen können. Auch wenn der BFH in einem Fall ein „Hin- und Rückschaukeln“ in einer einzigen Urkunde für zulässig erachtet hat (BFH, Urteil vom 12.7.2005 - II R 29/02 = DNotI-Report 2005, 181), wird in der Praxis zu Recht von einer derartig aggressiven Steuergestaltung wegen des Risikos eines Streits mit dem Finanzamt abgeraten.


Die genaue Dauer der empfohlenen Schamfrist ist umstritten; auch die Finanzverwaltung hat sich hierzu noch nicht geäußert. Ebensowichtig wie die Schamfrist dürfte es sein, außersteuerliche Gründe nachvollziehbar darzulegen und zu dokumentieren, um dem Vorwurf eines „Gesamtplans“ entgegenzuwirken.


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Güterstandsschaukel eine wirkungsvolle Methode sein kann, um Schenkungsteuerfreibeträge optimal zu nutzen, jedoch die Möglichkeit der rückwirkenden Anpassung des Güterstandes durch Eheverträge stark vom Einzelfall abhängig ist. Ehegatten sollten daher frühzeitig und umfassend beraten werden, um die besten steuerlichen und rechtlichen Entscheidungen für ihre individuelle Situation zu treffen.

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