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AutorenbildThomas Butzke

Lohnsteuerrechtliche Neuregelung bei Auszahlungen von Abfindungen durch das Wachstumschancengesetz

Am 27. März 2024 wurde das Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie zur Vereinfachung und Fairness im Steuerwesen (kurz: Wachstumschancengesetz) veröffentlicht.



Ziel dieses Gesetzes ist es unter anderem, das Steuersystem zu vereinfachen, was durch verschiedene Einzelmaßnahmen erreicht werden soll. Eine der Änderungen betrifft die Besteuerung von Abfindungen: Ab 2025 wird die sogenannte Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren abgeschafft.

 

Die sog. Fünftelregelung: Die Abfindung ist steuerlich begünstigt


Bei Beendigungen von Arbeitsverhältnissen kommt es häufig vor, dass die Parteien des Arbeitsvertrags eine Abfindung vereinbaren, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes zahlt. Diese Abfindungen sind in der Regel sozialversicherungsfrei, gelten jedoch als Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit und sind daher vollständig lohnsteuerpflichtig, das heißt, sie müssen ab dem ersten Euro versteuert werden (§§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 24 Nr. 1 lit. a) EStG). Der Arbeitnehmer ist also verpflichtet, diese Abfindungen zu versteuern.


Um die Steuerprogression, die durch die Ansammlung steuerpflichtiger Einnahmen entsteht, abzumildern, werden Abfindungen gemäß § 24 EStG durch die sogenannte Fünftelregelung (§§ 34 Abs. 1, 2 Nr. 2, 24 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) EStG) begünstigt.


Ohne diese Regelung müsste der Arbeitnehmer die außerordentlichen Einkünfte, wie eine erhaltene Abfindung, zusammen mit seinen regulären Einkünften im Jahr der Auszahlung vollständig versteuern. Dies würde in der Regel zu einem höheren Steuersatz führen, da dieser mit dem zu versteuernden Einkommen steigt. Aufgrund des Progressionseffekts könnte es sein, dass von der Abfindungssumme letztlich nur wenig übrig bleibt, abhängig von Einkommen und Höhe der Abfindung.


Um diese negativen Auswirkungen zu mildern, wird die zu versteuernde Abfindung für Zwecke der Progression fiktiv auf fünf Jahre verteilt, was durch die Fünftelregelung ermöglicht wird. Dies geschieht dadurch, dass das zu versteuernde Einkommen nur um 1/5 der Abfindung erhöht wird; die darauf entfallende Steuer wird verfünffacht. Insgesamt wird also trotzdem die gesamte Abfindung besteuert, aber nur mit dem (günstigeren) Steuersatz, der sich ergibt, wenn nur 1/5 der Abfindung in die Steuerberechnung fließen würde.

Diese Regelung führt in der Regel dazu, dass die zu zahlende Lohnsteuer geringer ist als bei einer regulären Besteuerung, da sich nur 1/5 der Abfindung progressiv auswirkt. Besonders bei einer Kombination aus niedrigeren und mittleren Einkommen sowie vergleichsweise hohen Abfindungsbeträgen – beispielsweise nach langjähriger Betriebszugehörigkeit – können sich dadurch nicht unerhebliche Steuervorteile ergeben.

 

Bisherige Risiken des Arbeitgebers bei Anwendung der Fünftelregelung


Die Fünftel-Regelung wird derzeit bereits im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens durch den Arbeitgeber angewendet, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind und sich durch ihre Anwendung eine geringere Lohnsteuerlast für den Arbeitnehmer ergibt. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er eine Prognoseentscheidung treffen muss, um die Anwendung der Regelung zu prüfen. Diese Prüfung ist oftmals komplex und mit einem erhöhten Aufwand bei der Lohnsteuerabrechnung verbunden, was wiederum die Fehleranfälligkeit erhöht.


Dies zeigt sich etwa bei der Anwendung der Regelung bei Ratenzahlungen: Grundsätzlich setzt die Geltung der Fünftelregelung voraus, dass die gesamte Abfindung innerhalb eines Veranlagungszeitraums ausgezahlt wird (auch bezeichnet als sogenannte Zusammenballung von Einkünften).  Daher kommt sie bei Ratenzahlungen grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn die gesamte Abfindung in einem Kalenderjahr zufließt. Allerdings hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs  Ausnahmen entwickelt, etwa wenn der Steuerpflichtige die ganz überwiegende Hauptleistung in einem Betrag und daneben nur eine geringfügige Teilleistung in einem anderen Veranlagungszeitraum erhält (BFH, Urt. v. 6. Dezember 2021, Az. IX R 10/21). In der Praxis ist es daher für den Arbeitgeber oft schwierig, das Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen korrekt zu prüfen.


Dies führt zu nicht unerheblichen Haftungsrisiken für den Arbeitgeber. Zwar ist gemäß § 38 Abs. 2 EStG grundsätzlich der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer, doch hat der Arbeitgeber gemäß § 39b EStG die auf die Abfindung entfallende Lohnsteuer zu berechnen, einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. In diesem Zusammenhang haftet der Arbeitgeber allerdings gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG gesamtschuldnerisch zusammen mit dem Arbeitnehmer gegenüber dem Finanzamt. Sollte der Arbeitgeber die Fünftelregelung fälschlicherweise anwenden und zu wenig Lohnsteuer abführen, haftet er unmittelbar gegenüber dem Finanzamt. Kann der Arbeitgeber den Regressanspruch gegen den (ehemaligen) Arbeitnehmer nicht mehr durchsetzen, bleibt er auf diesem Schaden sitzen.

 

Was gilt ab dem 01.01.2025: Anwendung der Fünftelregelung nur noch im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers


Die Fünftelregelung wird ab dem 01.01.2025 zwar nicht abgeschafft, aber aus dem Lohnsteuerabzugsverfahren gestrichen und auf das Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers verlagert.


Arbeitgeber müssen die Fünftelregelung bei der Auszahlung von Abfindungen zukünftig nicht mehr anwenden.


Dadurch wird der Arbeitgeber in der Regel eine höhere Lohnsteuer vom Abfindungsbetrag einbehalten und dem Arbeitnehmer einen niedrigeren Nettobetrag auszahlen. In der Lohnsteuerbescheinigung wird die Abfindung weiterhin separat ausgewiesen.


Es liegt nun in der Verantwortung des Arbeitnehmers, im Rahmen seiner Steuererklärung die Prüfung und Anwendung der Fünftelregelung durch das Finanzamt zu beantragen, um die steuerliche Begünstigung über eine Steuererstattung zu erhalten. Dies führt also zunächst zu einem Liquiditätsnachteil für den Arbeitnehmer, da ihm eine mögliche Steuererstattung regelmäßig erst im darauffolgenden Jahr zufließt.

 

Fazit


Die Abschaffung der Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren führt für Arbeitgeber zu einer Entlastung des Verwaltungsaufwandes, da der bisherige Prüfungs- und Berechnungsaufwand bei Abfindungszahlungen entfällt. Zukünftig müssen Arbeitgeber nicht mehr überprüfen, ob die Fünftelregelung auf bestimmte Vergütungsbestandteile anwendbar ist. Damit wird auch das lohnsteuerrechtliche Haftungsrisiko des Arbeitgebers eliminiert, das bei einer fehlerhaften Anwendung der Fünftelregelung bislang bestand.


Obwohl Arbeitgeber gesetzlich nicht verpflichtet sind, ihre ausgeschiedenen Mitarbeiter auf die Änderung der Rechtslage hinzuweisen, sollten sie dennoch darauf aufmerksam machen, dass die steuerliche Begünstigung der Abfindung in der Steuererklärung geltend gemacht werden muss, um finanzielle Nachteile zu vermeiden.


Es ist daher ratsam, einen entsprechenden Hinweis bereits in Aufhebungsverträgen oder anderen Vereinbarungen, die dem Arbeitnehmer den Erhalt einer Abfindung ermöglichen, zu integrieren.


Bei der Ausarbeitung und Formulierung entsprechender Hinweise unterstützen wir Sie gerne.

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