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Die Offene Handelsgesellschaft (oHG) – Ein umfassender Überblick

Die Offene Handelsgesellschaft (oHG) ist eine der klassischen deutschen Personengesellschaften und spielt insbesondere im Mittelstand eine bedeutende Rolle. Sie ist einfach zu gründen, flexibel gestaltbar und besonders für Geschäftspartner geeignet, die gemeinsam und persönlich Verantwortung übernehmen wollen. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Aspekte der oHG mit konkreten Gesetzesverweisen dargestellt.

Rechtsfähigkeit

Die oHG ist eine rechtsfähige Personengesellschaft, § 105 Abs. 2 HGB. Sie kann unter ihrem Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben sowie vor Gericht klagen und verklagt werden.

Gründung

Die Gründung einer oHG setzt zunächst voraus, dass sich wenigstens zwei Gesellschafter zusammenschließen. Anders als die gebräuchlichen Kapitalgesellschaften ist die Gründung einer sog. „Ein-Mann-Gesellschaft“ bei allen Personengesellschaften – somit auch bei der oHG grds. ausgeschlossen.

Gegenstand einer zu gründenden oHG muss stets der Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma sein (§ 105 Abs. 1 HGB). „Handelsgewerbe“ ist gem. § 1 Abs. 2 HGB

  • jedes Gewerbe,

  • dass einen kaufmännisch eingerichteten Betrieb erfordert.

„Gewerbe“ ist eine planmäßige, auf gewisse Dauer angelegte, selbstständige Tätigkeit, die auf eine wirtschaftliche Tätigkeit am Markt ausgerichtet ist, aber nicht freiberuflicher, wissenschaftlicher oder künstlerischer Art ist (MüKoHGB/Fleischer, 5. Aufl. 2022, HGB § 105 Rn. 47). Auch wenn nicht ausdrücklich genannt, wird die bloße Verwaltung von Vermögen (bspw. Immobilienvermögen) auch nicht als Gewerbe angesehen, mag es hier auch auf die Umstände des Einzelfalles ankommen.

Hinweis

An sich muss jeder, der sich selbstständig machen will, damit rechnen, dass bei ihm ein „Gewerbe“ angenommen wird, wenn er nicht ausdrücklich einer befreiten Kategorie zugeordnet wird (freiberufliche, künstlerische, wissenschaftliche, rein vermögensverwaltende Tätigkeit). Das gilt ausdrücklich nicht nur für Handel und Handwerk, sondern auch für Dienstleistungsbetriebe. Welche Dienstleistungsbetriebe dagegen freiberuflicher Natur sind, ist Gegenstand einer mittlerweile sehr unübersichtlichen Rechtsprechungskasuistik. Für bestimmte Berufsgruppen wurden deshalb spezialgesetzliche Regelungen erlassen, wann ein „

Zur Verwirrung trägt bei, dass der Begriff „Gewerbe“ nicht einheitlich definiert ist; im Steuerrecht ist der Gewerbebegriff anders definiert. Während Apotheker steuerlich betrachtet i.d.R. kein Gewerbe ausüben werden, werden sie handelsrechtlich oft als Gewerbe angesehen (BGH, Urteil vom 20.01.1983 - I ZR 13/81 = NJW 1983, 2085).

Liegt ein Gewerbe vor, wird ein Handelsgewerbe schon gesetzlich vermutet (§ 1 Abs. 2 HGB). In der Praxis wird dieses Kriterium auch nicht hinterfragt.

Hinweis

Wer ausdrücklich kein Handelsgewerbe haben will – etwa, weil die Buchführungspflicht vermieden werden soll – kann dies nur in der Rechtsform der GbR tun. Die oHG verlangt gerade als Gesellschaftszweck den „Betrieb eines Handelsgewerbes“.

Wer aber eine GbR gründet, um darunter ein Gewerbe zu betreiben, sei zur Vorsicht ermahnt: Stellt sich später heraus, dass das Gewerbe umfangreich genug war, um als „Handelsgewerbe“ gewertet zu werden, wandelt sich die GbR automatisch in eine oHG um.

Wann ein Gewerbe keinen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert – als kein „Handelsgewerbe“ i.S.d. § 1 Abs. 2 HGB ist – ist zudem Gegenstand vielfältiger Diskussionen. Ganz wesentlich ist der Umfang der Geschäftstätigkeit, der i.d.R. am Umsatz des Unternehmens gemessen wird. Dabei hat sich zumindest die sichere Aussage herausgearbeitet, dass ab einem Umsatz von 250.000 EUR das Gewerbe mit Sicherheit Handelsgewerbe sein wird. Bei einem darunterliegenden Umsatz wird derzeit noch viel diskutiert; es wird auf den Einzelfall ankommen.

Für die Praxis empfehle ich, entsprechen der gesetzlichen Vermutung im Zweifel ein Handelsgewerbe anzunehmen. Das macht die eigenen Rechten und Pflichten transparent und planbar.


Verhältnisse der Gesellschaft nach außen

Im Außenverhältnis tritt die oHG unter ihrer Firma auf. Sie ist Inhaberin des Unternehmensvermögens (§ 105 Abs. 2 HGB) und kann Verträge abschließen sowie am Rechtsverkehr teilnehmen.

Vertretungsmacht

Jeder Gesellschafter ist grundsätzlich einzelvertretungsberechtigt (§ 124 Abs. 1 HGB). Die Vertretungsmacht kann nur im Gesellschaftsvertrag und nur in bestimmter Art und Weise beschränkt werden:

  • Ein persönlich haftender Gesellschafter kann von der Vertretung ganz ausgeschlossen werden; oder

  • Ein Gesellschafter (oder mehrere) können darauf beschränkt werden, nur gemeinsam vertretungsberechtigt zu sein; oder

  • Ein Gesellschafter kann darauf beschränkt werden, nur gemeinsam mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt zu sein.


Wichtig ist, dass dabei aber nicht alle Gesellschafter von der Vertretung ausgeschlossen werden können, d.h. mindestens ein vertretungsberechtigter Gesellschafter muss immer verbleiben (sog. „Grundsatz der Selbstorganschaft“, bspw. Hopt/Roth, 44. Aufl. 2025, HGB § 124 Rn. 6).


Anderweitige Beschränkungen als die oben genannten sind im Außenverhältnis unwirksam (§ 124 Abs. 4 HGB). Dadurch soll sichergestellt werden, dass Geschäftspartner der oHG sich nicht erst umfangreich über die Vertretungsverhältnisse der oHG informieren müssen, um Geschäfte mit der oHG abschließen zu können.

Hinweis

Die Begriffe Geschäftsführung und Vertretung werden im Alltag oft synonym verwendet. Rechtlich handelt es sich hier aber um unterschiedliche Begriffe: Vertretung meint die Vertretung nach außen, d.h. ob ein bspw. von einem Gesellschafter im Namen der Gesellschaft unterzeichneter Vertrag die Gesellschaft tatsächlich bindet.

Geschäftsführungsbefugnis regelt dagegen die Frage, ob es interne Gesellschafterregelungen gibt, die dem vertretungsbefugten Gesellschafter bestimmte Geschäfte untersagt. Nicht selten findet sich in Gesellschaftsverträgen etwa die Regelung, dass der Gesellschafter mit Vertretungsmacht bei bestimmten Geschäften die anderen Gesellschafter befragen und ggf. einen Gesellschaftsbeschluss einholen muss (bspw. bei Geschäften über 500.000,00 EUR).

Die Verwirrung dürfte daherkommen, dass bei der GmbH der Gesetzgeber das alleinige Vertretungsorgan „Geschäftsführer“ getauft hat: Der Geschäftsführer der GmbH hat uneinschränkbare Vertretungsbefugnis für die GmbH, kann aber (paradoxerweise) erheblichen Einschränkungen in der Geschäftsführungsbefugnis unterliegen.

(Unmittelbare) Haftung

Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich, unmittelbar und gesamtschuldnerisch (§ 126 Satz 1 HGB). Eine Haftungsbeschränkung gegenüber Dritten ist nicht möglich. Wichtig: Die Haftung besteht auch nach dem Ausscheiden für diejenigen Verbindlichkeiten, die die Gesellschaft bis zu seinem Ausscheiden begründet hat (§ 137 HGB).


Verhältnisse der Gesellschaft nach innen

Gewinn

Die Gewinnverteilung ergibt sich mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) dahingehend gewandelt, dass gemäß § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 709 Abs. 3 BGB, dass die Gesellschafter am Gewinn entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis teilhaben. Eine abweichende Regelung kann durch Gesellschaftsvertrag getroffen werden.

Hinweis:

Vor dem MoPeG sah das Gesetz eine nicht ganz unkomplizierte Regelung zur Gewinnverteilung vor. Dabei wurde zunächst die Kapitalbeteiligung eines Gesellschafters aus dem Gewinn verzinst; der Übrige Gewinn wurde nach Köpfen verteilt. Die Regelung wurde ganz regelmäßig in Gesellschaftsverträgen dahingehend geändert, dass der gesamte Gewinnanteil sich an der eigenen Beteiligung an der Gesellschaft orientieren soll. Mit dem MoPeG wurde somit zum gesetzlichen Regelfall, was schon in der Praxis lange Standard war.


Stimmrecht

Durch das MoPeG wurde das Beschlussrecht der Personengesellschaften stärker an dasjenige der Kapitalgesellschaften angeglichen. Nach § 105 Abs. 3 HGB i.V.m. § 709 Abs. 3 BGB bestimmt sich die Stimmkraft eines Gesellschafters vorrangig nach dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Beteiligungsverhältnis. Fehlt eine solche Vereinbarung, richtet sich die Stimmkraft nach dem Wert der jeweils vereinbarten Beiträge. Nur wenn auch Beitragshöhen nicht festgelegt wurden, steht allen Gesellschaftern eine gleichgewichtige Stimmkraft zu.


Die nun gesetzlich vorgesehene Nachrangigkeit des Kopfprinzips entspricht der bisherigen Praxis. Schon vor dem Inkrafttreten des MoPeG war es insbesondere bei Personenhandelsgesellschaften üblich, Mehrheitsentscheidungen im Gesellschaftsvertrag zuzulassen. Hintergrund war, dass eine rein kopfbezogene Stimmverteilung den tatsächlichen Risikoverhältnissen – vor allem bei unterschiedlich hohen Kapitalbeteiligungen – häufig nicht gerecht wurde.


Beschlussmängelrecht

Ebenfalls mit dem MoPeG neu eingeführt ist das Beschlussmängelrecht, welches in den §§ 110 ff. HGB für die oHG geregelt ist.


Grundsätzlich unterscheidet das Gesetz zwischen anfechtbaren und nichtigen Beschlüssen. Nach § 110 HGB bleibt ein fehlerhafter, aber nicht nichtiger Beschluss zunächst wirksam, bis er durch eine gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird. Er kann durch eine Anfechtungsklage angegriffen werden. Demgegenüber ist ein Beschluss nach § 111 HGB von Anfang an nichtig, wenn besonders schwerwiegende Mängel vorliegen, etwa bei Verstößen gegen zwingendes Recht oder gravierenden Verfahrensfehlern. Die Nichtigkeit kann jederzeit im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht werden.


§ 112 HGB nennt die wesentlichen Anfechtungsgründe. Dazu gehören insbesondere Verletzungen gesetzlicher Vorschriften, Verstöße gegen den Gesellschaftsvertrag sowie gravierende Verfahrensmängel bei der Beschlussfassung oder Verletzungen der Treuepflicht unter den Gesellschaftern.


Für die Anfechtung gilt nach § 113 HGB eine Frist von drei Monaten. Die Frist beginnt mit der Kenntnisnahme des Beschlusses und des Anfechtungsgrundes.

Das gerichtliche Verfahren richtet sich nach § 114 HGB nach den allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung (ZPO). Zuständig ist das Landgericht, bei dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.


Wird der Beschluss erfolgreich angefochten oder seine Nichtigkeit festgestellt, wirkt diese Entscheidung nach § 115 HGB gegenüber sämtlichen Gesellschaftern, unabhängig davon, ob sie an dem Verfahren beteiligt waren.


Geschäftsführung

Jeder Gesellschafter ist grundsätzlich zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet (§ 116 Abs. 1 HGB). Abweichende Regelungen können im Gesellschaftsvertrag getroffen werden.


Maßnahmen der gewöhnlichen Geschäftsführung kann jeder Gesellschafter allein treffen (§ 116 Abs. 2 HGB). Im Umkehrschluss ist für außergewöhnliche Geschäfte ist ein Beschluss aller Gesellschafter erforderlich (§ 116 Abs. 2 HGB). Als „außergewöhnliches Geschäft“ versteht die Rechtsprechung dabei jedes Geschäft, bei dem die Übrigen Gesellschafter berechtigt erwarten konnten, dass das Geschäft mit ihnen abgesprochen wird, bspw. der Kauf von Grundstücken (sofern dies nicht „Tagesgeschäft“ ist, etwa bei Projektbauträgern), das eingehen besonders hoher Verbindlichkeiten oder besonders riskanter Geschäfte oder Geschäfte, bei denen die Vermutung im Raume stehen muss, der Gesellschafter macht diese nur zu seinem eigenen Vorteil.

Hinweis

Hier wieder aufgepasst – Geschäftsführungsbefugnis ist nicht dasselbe wie Vertretungsmacht. Mehr dazu oben unter „Vertretungsmacht“.

Wettbewerbsverbot

Gesellschafter dürfen ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter weder im Handelszweig der Gesellschaft tätig sein noch für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte in diesem Bereich machen (§ 117 HGB). Ein Verstoß kann Schadenersatzansprüche und ggf. Unterlassungsansprüche nach sich ziehen.

Auflösung und Liquidation

Die Auflösung der oHG führt zur Liquidation (§§ 143 ff. HGB). Die Gesellschaft bleibt bestehen, aber nur noch zur Abwicklung der laufenden Geschäfte.

Eine Auflösung kann insb. herbeigeführt werden durch (§ 138 HGB):

  • Beschluss der Gesellschafter (§ 140 HGB)

  • Gerichtliche Entscheidung zur Auflösung aus wichtigem Grund auf Antrag eines Gesellschafters (§ 139 HGB)

  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft (§ 138 Abs. 1 Nr. 2 HGB).


Weitere Auflösungsgründe können im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden (§ 138 Abs. 3 HGB).


Nach der Auflösung erfolgt die Liquidation der oHG (§§ 143 ff. HGB). Dabei wird das Gesellschaftsvermögen verwertet und die Verbindlichkeiten beglichen. Der Liquidationsprozess umfasst mehrere Schritte:

  • Bestandsaufnahme des Gesellschaftsvermögens: Alle Aktiva und Passiva werden ermittelt und dokumentiert.

  • Veräußerung der Vermögenswerte: Die Vermögensgegenstände der Gesellschaft werden verkauft, um liquide Mittel zu beschaffen.

  • Tilgung der Verbindlichkeiten: Mit den erzielten Erlösen werden die Schulden der Gesellschaft beglichen.

  • Verteilung des verbleibenden Vermögens: Das nach der Tilgung der Verbindlichkeiten verbleibende Vermögen wird gemäß den Regelungen des Gesellschaftsvertrags an die Gesellschafter verteilt.

Die Liquidation wird von den Gesellschaftern durchgeführt, sofern im Gesellschaftsvertrag keine anderen Liquidatoren benannt sind. Die Liquidatoren haben die Pflicht, den Liquidationsprozess ordnungsgemäß und im Interesse aller Gesellschafter durchzuführen.


Steuern


Ertragssteuern

Die oHG selbst ist nicht körperschaftsteuerpflichtig, da sie als Personengesellschaft nicht einkommensteuerpflichtig ist. Die Gewinne werden den Gesellschaftern anteilig zugerechnet und unterliegen bei diesen der Einkommensteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).


In der Gewerbesteuer ist die KG selbst das Steuersubjekt; sie hat die Gewerbesteuer daher selbst zu tragen, soweit sie anfällt (d.h. insb., soweit die Gesellschaft tatsächlich gewerbliche Einkünfte erzielt).


Umsatzsteuer

Die oHG ist Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG und daher umsatzsteuerpflichtig. Sie schuldet die Umsatzsteuer auf ihre Umsätze und kann zugleich zum Vorsteuerabzug berechtigt sein (§ 15 UStG).


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